TWI als Basis für Lean Healthcare

Kliniken in USA und Niederlanden erzielen erste Erfolge mit TWI Job Instruction

Einrichtungen im Gesundheitswesen – wie Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen u.a. – verfolgen das Ziel einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung. Ähnlich wie in der Industrie spielen in der Patientenversorgung neben der hohen Qualität auch Kosten bzw. Effizienz eine immer stärkere Rolle. Eine Besonderheit gegenüber der Industrie ist im hohen Anteil der menschlichen Interaktion und Kommunikation zu sehen – einerseits ist meist der Patient gleichzeitig Konsument der Versorgungsleistung und auch Gegenstand der Leistung selbst – andererseits werden sehr viele Tätigkeiten durch Menschen ausgeführt und Automatisierung (z.B. durch Pflegeroboter) ist zur Zeit nicht als flächendeckendes Konzept vorstellbar.


Durch verschiedene Faktoren herrschen in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens hoher Zeitdruck und auch oft Personalknappheit. Dies führt zu Qualitätseinbußen, Leistungseinbußen, Fehlern, unzufriedenen Patienten, Motivationsverlusten beim Personal und Mitarbeiterproblemen. Dem steht gegenüber, dass der gewünschte hohe Patientendurchlauf zum Beispiel für die effiziente Bearbeitung von fallbezogenen Prozessen (z.B. Aufnahmemanagement, Entlassungsmanagement) stabile standardisierte Qualifikationen und Leistungen erfordert. Auch verändert sich durch die demographische Entwicklung die Lage: Es gibt immer mehr sehr pflegeaufwändige Patientinnen und Patienten, was besonders angepasste Abläufe und Pflegemaßnahmen erfordert. Für die Erreichung der standardisierten und optimierten Ausführung der operativen Tätigkeiten gibt es in der Praxis einige Herausforderungen. Die Einarbeitung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt oft sehr viel Zeit in Anspruch, da sehr viele Personen eingearbeitet werden müssen (in der Pflege z. B. neue Pflegekräfte, Praktikanten, Auszubildende, Rettungsassistenten, Springer). Eine weitere Schwierigkeit besteht hierbei darin, dass die im gleichen Arbeitsfeld tätigen Personen oft sehr unterschiedliche Ausbildungsqualifikationen mitbringen (z.B. Pflegekräfte und Hilfskräfte, unterschiedliche Ausbildungsstätten, unterschiedliche Herkunftsländer). Die daraus resultierende individuelle Ausgestaltung von Routinetätigkeiten führt zu Missverständnissen und ausgelassenen Tätigkeiten. Hierzu kommen oftmals noch Kommunikationsdefizite (auch zwischen verschiedenen Akteursgruppen – z.B. Pflege und Funktionsbereiche), die zu stockenden Abläufen und Fehlern führen. Im praktischen Arbeitsalltag müssen oft Tätigkeiten ausgeführt werden, die nicht der eigenen Ausbildung entsprechen (z.B. übernimmt eine Pflegerin Tätigkeiten der Stationshilfe, Stationshilfe übernimmt Tätigkeiten der Stationssekretärin, etc.). Konkrete Auswirkungen dieser Problemstellungen sind beispielsweise: 

  • Unzureichende oder unterschiedliche Kenntnisse über die Charakteristika von Geräten in der Pflege (z.B. Monitore, Perfusoren, Infusiomaten, Dialysegeräte).

  • Unzureichende oder unterschiedliche Kenntnisse über die Anwendung von Instrumenten, Maschinen und Geräten in den Funktionsdiensten (z.B. EKG, Röntgen, Autoklaven, Laborausstattung).

  • Unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Wund- bzw. Dekubitusversorgung, was zu höheren Infektionsraten und langsamer Wundheilung führen kann.

  • Abläufe und Methoden zur Aufbereitung und zum Richten von Medikamenten sind fehlerhaft, weil das Personal unterschiedliche Kenntnisse und Vorgehensweisen anwendet.

  • Fehlende Standards in der Materialversorgung führen zu hohen Warte-, Weg- und Suchzeiten in der Patientenversorgung.

Lernen und standardisieren mit TWI

Die TWI-Methode JI (Job Instruction) hilft dabei, auf operativer Ebene die Patientenversorgung zu verbessern. Der Einsatzvon JI führt dazu, dass Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in der Praxis schnelllernen, Tätigkeiten sicher, gewissenhaftund in hoher Qualität durchzuführen. Diedadurch verbesserte tatsächliche Standardisierungist Grundlage für die Stabilisierungund systematische Verbesserungvieler Abläufe.Mit TWI JI trainieren Vorgesetzte aufoperativer Ebene (z.B. Stationsleitung,Laborleitung, Teamleitung) und Anleitendeim Alltag (z.B. Praxisanleiterinnen,Schichtleitung) die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter direkt am Arbeitsplatz. Esgeht dabei darum, die Arbeit tatsächlich soauszuführen, wie dies als guter Standardermittelt wurde. Job Instruction führt zu kürzeren (aber effektiven) Anlernzeiten und dank der standardisierten Arbeitsausführung zu weniger Schwankungen und damit zu weniger Fehlern, weniger Mehrfacharbeit etc. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden flexibler und durch ihr aktives Training motiviert und eingebunden. Neue Behandlungsmethoden, Technologien oder Vorgehensweisen können schneller in der Einrichtung eingeführt werden. Dies ist nicht nur für sich genommen ein enormer Fortschritt, sondern auch eine hervorragende Basis für Lean Healthcare Programme.

TWI JI im Gesundheitswesen

Mit Hilfe von TWI JI entwickeln Vorgesetzte auf operativer Ebene ihre Kompetenzdes Unterweisens und Anleitensweiter. Zur Vorbereitung von Unterweisungenwird ein sogenanntes Tätigkeitsanalyseblatterstellt – selbst entwickeltund abgestimmt in mehreren Durchgängen.TWI Tätigkeitsanalysen sind sehrstrukturiert und konzentrieren sich aufwichtige Schritte und Schlüsselpunkteder Tätigkeiten – sie sind der Standard,mit dessen Hilfe Anleitende die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter unterweisen.Die Schulung der Mitarbeiter selbsterfolgt nach dem Vier-Schritte-Muster:die lernende Person wird vorbereitet, dieTätigkeit wird strukturiert vorgeführt underläutert, anschließend erfolgt eine strukturierteArbeitsprobe und abschließendwerden nachbereitende Schritte und ggf.weiteres Coaching vereinbart.Job Instruction ist optimal nutzbar fürsich wiederholende Tätigkeiten. Insbesondereoperative Tätigkeiten stehenhierbei im Vordergrund, also zum Beispielviele alltägliche Tätigkeiten in den Funktionsdienstenvon Krankenhäusern, in derKrankenpflege, in der Notaufnahme bzw.Ambulanz, in der Altenpflege, in medizinischenLaboren, in Rehabilitationseinrichtungen,Einrichtungen der ambulantenPatientenversorgung, Arztzentren u.v.m. 

Erfahrung mit TWI JI in Healthcare

Im Rahmen von Qualitätsverbesserung, Standardisierung und Lean Healthcare- Programmen findet TWI auch innerhalb des Gesundheitswesens immer mehr Verbreitung. Das Virginia Mason Childrens Hospital (USA) war eines der ersten Krankenhäuser, das in der TWI-Methode eine Lösung gesehen hat, um die Arbeit besser zu standardisieren und somit Abweichungen zu reduzieren. Martha Purrier und Patrick Graup beschreiben wie die JI-Einführung verlief und wie durch TWI die Zuverlässigkeit bei der Handhygiene von 83,5% auf mehr als 98% gesteigert werden konnte (der Welt Benchmark lag damals bei 40%!). Auch das Baptist Memorial Hospital im Golden Triangel (USA) hat den Nutzen von Job Instruction für sich entdeckt. Nach einem einleitenden Training wurden intern 20 Anleiter in TWI JI ausgebildet. Deren erstes Hauptthema war die Vermeidung der Kontamination von Blutkulturen, um Analysefehler, zusätzliche diagnostische Tests, überflüssige Behandlung mit Antibiotika u.a. zu reduzieren. Hierzu wurde eine Tätigkeitsanalyse für das Abnehmen einer Blutkultur für das Personal in Labor und Pflege erstellt. Die ausgebildeten TWI JI-Anleiter haben dann 195 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Labor und unterschiedlichsten Pflegebereichen in der Tätigkeit "Blutkultur abnehmen" geschult. Hierdurch konnte die Kontaminationsquote von 6,09% auf 2,8% gesenkt werden. Darüber hinaus wurden weitere interessante Potenziale für den Einsatz von Job-Instruction entdeckt: Die Wiederaufnahmequote von Pneumonie-Erkrankten sollte gesenkt werden (s. Abb. 5). Es wurde festgestellt, dass die Patienten zum Teil unterschiedlich informiert wurden und daher nach der Entlassung nicht richtig für ihre Nachbehandlung sorgten. Um die Wiederaufnahme zu vermeiden, wurden Standards zur Unterrichtung der Patienten erstellt. Die verschiedenen Fachbereiche im Krankenhaus informierten nun die Patienten standardisiert in allen für die Heilung wesentlichen Punkten. Dies betraf zum Beispiel Fragen zur Ernährung, zum Aktivitätsniveau, zur Medikation usw. TWI JI wurde hierbei eingesetzt, damit alle an dem Informationsprozess Beteiligten in gleicher Weise die gleichen Dinge kommunizierten. Die Wiederaufnahmequote konnte von 25% auf 15% gesenkt werden. Auch in Europa beginnen die ersten Krankenhäuser mit der Einführung von TWI Job-Instruction. So hat das Akademische Krankenhaus in Leiden (Niederlande) LUMC schon seit einigen Jahren reichhaltige Lean-Erfahrung gesammelt und wollte das standardisierte Arbeiten vorantreiben. Seit einigen Monaten werden dort TWI JI-Anleiter ausgebildet. Zur Zeit wird die Methode bei der Notaufnahme und in der Apotheke sowie bei Anästhesie, Chirurgie, Transplantation und Geburtshilfe zur Unterweisung vor Ort eingesetzt. Hierzu ist ein Trainingsplan in die "Tägliche Morgenbesprechung" integriert worden, um die Unterweisung des Personals in bestimmten Tätigkeiten zu steuern. Im Trainingsplan werden Tätigkeiten aufgenommen, für die Schulungsbedarf erkannt wurde. Dieses System hilft dabei, die täglichen Herausforderungen zu bewältigen.

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